Bisher wurden viele Gelegenheiten für ein besseres Verständnis zwischen den Muslimen und den europäischen Gesellschaften verpasst. Es ist eine Realität, dass ein Teil der europäischen Muslime Immigranten sind, die aus verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Traditionen gekommen sind, aber diese Tatsache liefert keinen Grund dafür, dass die Muslime hier als Gäste oder Menschen neben diesen europäischen Gesellschaften leben. Als bedeutende schiitische Gelehrte der „Islamisch-Europäischen Union der Schia-Gelehrten und Theologen“ erklären wir:
1. Die islamischen Vorschriften und Lehren beinhalten Prinzipien, die die notwendige Flexibilität und Möglichkeit vermitteln, mit unterschiedlichen Umgebungen und Gesellschaften zurechtzukommen. Deshalb sprechen wir vom europäischen Islam und den europäischen Muslimen, nicht vom Islam in Europa! Dennoch sind die Muslime Teil der islamischen Welt, wie auch Christen, Juden oder die Anhänger anderer Religionen, gleich wo auf der Welt sie sich befinden, einen Teil der christlichen, jüdischen bzw. ihrer jeweiligen Weltgemeinschaft bilden. Dieser Aspekt kann jedoch keine Rechtfertigung für eine Missachtung des europäischen gesellschaftlichen Kontextes oder für Einflüsse von außen sein. Wenn die Muslime in Europa Parallelgesellschaften bilden oder sich nur als Gäste fühlen, können sie niemals vollwertige Bürgerrechte erwarten. Wenn andererseits die Gesellschaften sie nur als Gäste und nicht als vollwertige Mitglieder ansehen, kann man von den Muslimen nicht erwarten, dass sie ihre gesellschaftlichen Verantwortungen wahrnehmen. Die Muslime müssen sich als engagierte Mitglieder am gesellschaftlichen Prozess beteiligen. Sicherheit, Zweckmäßigkeit und Nutzen der europäischen Gesellschaften gereichen allen Mitgliedern, also auch den Muslimen, zum Vorteil. Aus diesem Grund sieht es die „Islamisch-Europäische Union der Schia-Gelehrten und Theologen“ als eine religiöse, von islamischen Theologen und Gelehrten in Europa gegründete Organisation als ihre wesentliche Aufgabe an, die muslimischen Schwestern und Brüder zur verstärkten Beteiligung am gesellschaftlichen Prozess zu motivieren.
2. Leider müssen wir zuweilen beobachten, dass kulturelle und traditionelle Verhaltensweisen muslimischer Nationalitäten als islamische Handlungsweisen aufgefasst werden, wenngleich sie mit den qur’anischen Lehren und dem Islam nicht übereinstimmen oder diesen sogar widersprechen. Alle Muslime müssen darum bemüht sein, solche Missverständnisse gar nicht erst entstehen zu lassen. Von unseren Mitbürgern, die keine Muslime sind, und insbesondere von den Massenmedien erwarten wir, dass derartige Verhaltensweisen nicht mit dem Islam gleichgesetzt und damit letztlich auch legitimiert werden, was wiederum den Verständigungsprozess zwischen den Muslimen und den europäischen Gesellschaften problematischer gestaltet anstatt auf dessen Erweiterung hinzuwirken. Als religiöse Gelehrte und islamische Theologen sehen wir es als unsere Pflicht an, den gemäßigten und rationalen Islam vorzustellen, jeglichen Extremismus zu verneinen und kulturelle Traditionen von den wahren Lehren des Islam zu differenzieren, um damit auch korrigierend zu wirken.3. Wir Mitglieder der „Islamisch-Europäischen Union der Schia-Gelehrten und Theologen“ unterstützen den Prozess der Einheit der Muslime in den europäischen Ländern nachdrücklich. Die Erreichung dieser Einheit sehen wir als Notwendigkeit und Voraussetzung für die Verwirklichung der Integration an. Selbstverständlich müssen für die Dauerhaftigkeit dieser Einheit die entsprechenden Maßnahmen getroffen werden, die eine Beteiligung aller Gruppen gewährleisten.4. Wir betonen, dass unabhängig welcher Religion oder Konfession wir angehören, wir in dieser Gesellschaft Mitglieder einer Familie sind, die darum bemüht sein sollen, die Freundlichkeit und Freundschaft zwischen den Mitgliedern dieser Familie tagtäglich zu stärken. Die erste Voraussetzung für diesen freundlichen Umgang ist der gegenseitige Respekt, die Achtung unserer jeweiligen Überzeugungen und die ernsthafte Distanzierung von Feindseligkeiten. Das gemeinsame Wesen der Religionen und die gemeinsamen Hauptprinzipien dieser Lehren lassen keinen Raum für einen unfreundlichen Umgang miteinander. Niemals dürfen Meinungsunterschiede zwischen Theologen der Grund dafür sein, dass das gemeinsame Wesen der Religionen vernachlässigt wird und damit die Feindschaft und der Hass zwischen den Anhängern der Religionen verbreitet werden. Diejenigen, die im Namen der Religion anstelle von Frieden und Freundschaft die Saat von Hass und Gewalt verbreiten, handeln zweifellos gegen die Zufriedenheit und den Willen Gottes, und der Geist der Religionen ist ihnen fremd. Wir sind davon überzeugt, dass die Theologen und religiösen Gelehrten eine besondere Verpflichtung und Verantwortung für die Erreichung der Botschaft von Frieden und Freundschaft bei den Menschen, insbesondere ihren Anhängern, haben. Es gilt, in jeder Situation den Dialog für Verständnis mit aller Kraft zu verfolgen.
Mitglieder der Islamisch-Europäischen Union der Schia-Gelehrten und Theologen