Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Begnadenden
Gemäß dem einvernehmlichen Rechtsurteil aller muslimischer Rechtsexperten und insbesondere der Höchsten religionsrechtlichen Bezugspersonen der Schiiten ist die religionsrechtliche Körperbedeckung für Mädchen mit der Vollendung von neun Mondjahren verpflichtend. Im Sinne einer religiösen Erziehung sind muslimische Eltern bestrebt ihre jungen Töchter Schritt für Schritt an dieses Urteil heranzuführen und sie mit ihm langsam vertraut zu machen. In diesem Lichte gewöhnen sie ihre Töchter schon vor Eintritt in das religiöse Reifealter von neun Jahren an die islamische Körperbedeckung und erklären ihnen sukzessive ihre Bedeutung und Philosophie, sodass sie dann beim Erreichen des religiösen Reifealters aus eigenem Antrieb heraus die bewusste Entscheidung für die religiöse Bedeckung ihres Körpers treffen können. Da ein Zwang der Kinder keinen moralischen und spirituellen Wert genießt und überdies aus erzieherischer Sicht unvorteilhaft ist, halten religiöse Eltern und Familien von derartigen Praktiken Abstand und lehnen Zwang und Druck als Mittel für die Implementierung der religionsrechtlich vorgeschriebenen Körperbedeckung strikt ab.
Allerdings steht es einer Regierung frei auf Basis der Verfassung und entsprechend ihres religiösen und kulturellen Hintergrundes Gesetze zu erlassen, doch sollte sie sich dabei vor Augen halten, dass der Erlass von Gesetzen, die derlei in die Privatsphäre der Menschen eingreifen und sie in ihrer Freiheit beschneiden, gewiss keinen Vorteil für irgendjemanden zur Folge haben werden. Nicht nur das, sie sind schädlich und stehen im Widerspruch zur Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen. Solche Gesetze führen zur weiteren Stigmatisierung der Muslime, die ein äußert wertvoller und geachteter Bestandteil der europäischen Gesellschaft sind. Dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und der Eintracht wird so nicht jedenfalls nicht geholfen, vielmehr werden Misstrauen, Intoleranz und Ausgrenzung genährt, die in einer Forcierung von Parallelgesellschaften münden.
In diesem Sinne macht die Islamisch-Europäische Union der Schia-Gelehrten und Theologen (IEUS) ihre Ablehnung hinsichtlich eines derartigen Vorhabens der österreichischen Regierung unmissverständlich deutlich und fordert die verantwortlichen Beschlussorgane auf, die religionsrechtlichen Einwände und Belange der Muslime genauestens zu berücksichtigen, den Folgen und Konsequenzen einer Gesetzgebung in dieser Art und Weise Beachtung zu schenken und von einem solchen Vorhaben abzusehen.
Reza Ramezani
Vorsitzender der Islamisch-Europäischen Union der Schia-Gelehrten und Theologen (IEUS)