Hojjatoleslam Dr. Seyyed Mohammad Nasser Taghavi
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen.
Lobpreis sei Gott, dem Gepriesenen und Erhabenen, dem Herrn der Welten, und Sein Frieden und Segen seien mit unserem Propheten Mohammad (Friede sei mit ihm), seinen reinen Nachkommen (Friede sei mit ihnen) und seinen rechtschaffenenGefährten. Ich rate mir selbst und Ihnen zu Frömmigkeit und Gottesfurcht.
Frömmigkeit ist die beste Versorgung
Einer der Namen Gottes lautet „ar-razzaq“ – der Versorger, d. h. Gott ist derjenige, der sehr viel gibt und beim Geben und Gewähren alle versorgt, und Der, wenn Er sieht, dass jemand sich Seiner Versorgung besonders würdig erweist, vielmehr gibt als es Seinem Diener im Grunde gebührt. Diese besondere Versorgung manifestiert sich nicht materiell, d. h. in Form von Lebensmitteln, sondern die besonderen Bemühungen und der spezielle Wille mancher Gottesdiener lässt sie in den Genuss der besonderen göttlichen Versorgung gelangen. Zu dieser besonderen Versorgung gehören z. B. die Weisheit (Hikmat – حکمت ) und die Gottesfurcht (taqwÁ – تقوی ).
Wenn jemand z. B. vierzig Tage und Nächte auf seinen Herrn und auf seine innere Wahrnehmung, sein Verhalten und seine Äußerungen achtet, Lauterkeit sein Verhalten und sein Reden bestimmt und er Gott immer und überall wahrnimmt und gegenwärtig sieht, dann werden die Quellen der Weisheit aus seinem Herzen und von seiner Zunge hervorsprudeln, wie es in einer Überlieferung heißt. D. h. in diesen vierzig Tagen ist die wahrhaftige Aufrichtigkeit in der Persönlichkeit und dem Verhalten des Menschen offenkundig geworden.
Ebenso verhält es sich, wenn dem Menschen Gottesfurcht gewährt wird; das ist etwas Besonderes und Einzigartiges. Derjenige, der auf diese Art und Weise von Seinem Schöpfer versorgt wird, wird das Gute des Diesseits und des Jenseits bekommen, wie der edle Prophet des Islam (s.a.s.) gesagt hat:
„Derjenige, dessen Versorgung Frömmigkeit und Gottesfurcht ist, dessen Versorgung ist das Gute des Diesseits und des Jenseits geworden.“ (Kanzu-l-þummÁl, Bd. 3, S. 91).
Mögen Gott uns allen eine solche Versorgung zuteil werden lassen.
Weitere Begriffe, die mit der Toleranz eng verbunden sind
In den vorausgegangenen Ansprachen haben wir bereits darauf hingewiesen, dass vor dem Zitieren einiger islamischer Überlieferungen im Hinblick auf die Toleranz einige Begriffe erwähnt werden sollen, die mit dem Toleranzbegriff eng verbunden sind. In diesem Zusammenhang haben wir bereits fünf Begriffe erwähnt, nämlich rifq (رِفق), die Freundlichkeit, ta™aful (تغافل) oder Vernachlässigung, drittens lÍn (لین) d. h. Nachgiebigkeit, þafw (عفو), Verzeihen und Èaf½ ( صفح), was stillschweigendes Übergehen bedeutet. Nun sollen drei weitere Begriffe erwähnt werden, die mit dem Begriff der Toleranz eng verbunden sind.
Milde, Geduld und Langmut
Diese drei Begriffe haben alle eine sehr ähnliche Bedeutung und wurden in den islamischen Überlieferungen häufig gebraucht. Grundsätzlich kann man die Toleranz nicht diskutieren, ohne dabei die moralischen Eigenschaften von Milde (½ilm – حِلم), Geduld (Èabr -صبر) und Langmut (ta½ammol – تحمّل) zu berücksichtigen. Milde zeigt sich in dem Moment, wo jemand einem inneren Druck ausgesetzt ist, wie wenn der Mensch z. B. von Wut oder Zorn überwältigt wird. Wenn dem Menschen etwas Unangenehmes widerfährt, spielen Milde, Geduld und Langmut eine besondere Rolle und helfen ihm, sich und seine Reaktion bewusst zu kontrollieren. Die höchste Stufe der Milde ist das Wesen Gottes, denn Gott ist al-½alÍm, d. h. der überaus Milde.
Milde ist eine Eigenschaft eines gläubigen Menschen oder besser gesagt: es ist grundsätzlich eine menschliche Eigenschaft. Imam Ali (a.s.) sagt:
„Die tapfersten Menschen sind diejenigen, die mittels Milde die Unwissenheit beherrschen.“
(Ghurar al-Hikam).
Er bezeichnete die nachsichtige Milde darüber hinaus auch als die größte Eigenschaft der großen Persönlichkeiten und sagte:
„Milde ist die schönste Zierde des Menschen.“ (Ghurar al-Hikam).
Weitere Aussprüche von ihm lauten:
„Wenn Gott einem Menschen Seine besondere Aufmerksamkeit gewährt,
dann schenkt er ihm innere Ruhe und Milde.“ (Ghurar al-Hikam).
„Begegnet der Wut mit Milde.“ (Ghurar al-Hikam).
„Wer der Wut Milde entgegensetzt ist der stärkste Mensch.“ (Ghurar al-¼ikam).
Auch der edle Prophet des Islam (s.a.s) hat empfohlen, dass die Menschen geduldig sein sollen und darauf achten sollen, dass sie in schwierigen Situationen oder wenn Wut den Menschen mehr oder weniger niederwirft, diese Situationen mit Geduld beherrschen. Er sagte:
„Niemals wird Gott einen Menschen wegen seiner nachsichtigen Milde erniedrigen.“
(Nahju-l-Fassaha).
„Der geduldigste Mensch ist derjenige, der bei Macht und Stärke über einen anderen
diesem verzeiht.“ (Tuhafu-l-uqul, S. 45).
„Der nachsichtige Mensch ist im Diesseits und Jenseits großartig und geehrt.“
(Kanzu-l-þummÁl, Bd. 3, S. 129).
Wir haben jedoch gesagt, dass abgesehen von dem Begriff Milde (Hilm – حِلم), auch andere Begriffe wie Geduld (Èabr -صبر) und Langmut (ta½ammol – تحمّل ) in den islamischen Überlieferungen verwendet werden. Geduld bedeutet, dass man den geistigen und seelischen Druck, der auf einem Menschen in einer unangenehmen Situation lastet, ertragen kann. Der edle Prophet Mohammad (s.a.s.) sagte:
„Geduld ist die Hälfte des Glaubens.“ (Nahju-l-Fasaha).
Und er erklärte ferner:
„Geduld und Bittgebete sind für einen Gläubigen zwei gute Waffen.“ (Nahju-l-Fasaha).
In den islamischen Überlieferungen wird oft zur Geduld geraten, und wichtige und segensreiche Resultate wurden darin für die Geduldigen beschrieben. Den Geduldigen wird auch im Heiligen Qur’an von Gott eine besondere Stellung zugewiesen.
Auch die Begriffe Langmut (tahammol – تحمّل ) oder Besonnenheit (ehtemÁl – احتمال ) werden in vielen Überlieferungen verwendet, und zwar in dem Sinne, wie uns die Beschreibungen zu den Begriffen Milde und Geduld bereits deutlich gemacht haben. Das heißt, angesichts von Schwierigkeiten und Unannehmlichkeiten geduldig zu sein. Es scheint, dass Geduld in unangenehmen Situationen die Hauptsubstanz von Toleranz und Freundlichkeit im Verhalten und Umgang mit den anderen Menschen ist, wie Imam þAlÍ (a.s.) sagte:
„Besonnenheit ist die Zierde der Freundlichkeit.“
„Das Wesen der Tapferkeit eines Menschen liegt in der besonnenen Duldung der Fehler seiner Freunde und Brüder.“
„Besonnenheit zeigt die wertvolle Stellung des Menschen.“
Abgesehen von diesem Begriffen gibt es noch weitere Ausdrücke wie z. B. „die den Groll unterdrücken“ ( kaãim ™ayã – کظم غیظ ), die in den Überlieferungen gebraucht wurden. Im Heiligen Qur’an wird dieser Begriff im Zusammenhang mit Mildtätigkeit und Verzeihen als Eigenschaft der frommen und gläubigen Menschen erwähnt:
„Die da spenden in Freud und Leid und den Groll unterdrücken und den Menschen vergeben…“ (Sure Al- Imran, Vers 134).
Das beste Beispiel und Vorbild für diese Eigenschaft der nachsichtigen Milde, Geduld, Langmut und Besonnenheit sehen wir im geehrten Propheten (s.a.s.) und seinen reinen Nachkommen, d. h. der Ahlu-l-Bayt (a.s.); das sind die wahren historischen Beispiele, die uns diese Eigenschaften in ihrem Verhalten gezeigt haben.
Dieses Thema werden wir, so Gott will, bei nächster Gelegenheit fortsetzen. Möge Gott uns die Eigenschaften der nachsichtigen Milde, Geduld, Langmut und Besonnenheit schenken. Und der Friede sei mit euch und die Gnade Gottes und Seine Segnungen.