Hojjatoleslam Dr. Seyyed Mohammad Nasser Taghavi
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen.
Lobpreis sei Gott, dem Gepriesenen und Erhabenen, dem Herrn der Welten, und Sein Frieden und Segen seien mit unserem Propheten Mohammad (Friede sei mit ihm), seinen reinen Nachkommen (Friede sei mit ihnen) und seinen rechtschaffenen Gefährten. Ich rate mir selbst und Ihnen zu Frömmigkeit und Gottesfurcht.
Frömmigkeit ist der Wunsch und Wille Gottes
Wenn wir von Frömmigkeit sprechen meinen wir damit, dass man die Würde Gottes achtet und Seine Anwesenheit ehrt und sich in dieser Gegenwärtigkeit höflich verhält. Deshalb erscheint es angemes-sen, dass wir dem Verhalten in Seiner Anwesenheit ein wenig mehr Aufmerksamkeit schenken und beachten, was sich ziemt und was nicht; d. h. wir sollen sehen, was in Wahrheit angemessen ist und was praktiziert werden sollte und andererseits ebenso, was sich nicht geziemt und wovon wir uns ent-fernen und fernhalten sollten, denn auf diese Weise kann man die Stufe der wahren Frömmigkeit errei-chen. Imam Jafar assadiq (a.s.), der wissende Nachkomme des edlen Propheten (s.a.s.), hat in einem schönen Satz die Frömmigkeit aus dieser Perspektive beschrieben. Er sagte:
„Gottesfurcht und Frömmigkeit bedeutet, nicht abwesend zu sein bei dem, wozu Gott aufgerufen hat, und nicht anwesend zu sein bei dem, was Gott verwehrt hat.“ (Safinat al-Bihar, Bd. 2, S. 678).
Dieser bedeutungsvolle Satz bringt das Wesen der Frömmigkeit zum Ausdruck, das darin besteht, dass der Mensch das göttliche Gebot und Verbot und den Willen Gottes achtet. Das bedeutet, wenn Gott gebietet, dass man in einem bestimmten Moment mit Wort und Tat anwesend sein soll, soll man diesen Wunsch Gottes realisieren, wie man gleichermaßen den Willen Gottes respektiert im Hinblick auf das, was Er dem Menschen untersagt hat und wovon Er ihn abhalten möchte. Gottesfurcht und Frömmig-keit bedeuten demnach, dass man den Wunsch und Willen Gottes beachtet, der im Grunde mit der Wahl und dem Willen des Menschen realisiert wird. Wenn der Wille des Menschen vom Willen Gottes bestimmt wird, dann wurde die Höflichkeit, die Seiner Gegenwart geziemt, berücksichtigt, und das macht genau Frömmigkeit und Gottesfurcht aus. Mögen wir alle diese Art der Frömmigkeit erreichen!
In den letzten Ansprachen waren die Freundlichkeit und Toleranz im Islam aus der Sicht der Qur’anverse unser Thema. Nun wollen wir einen Blick auf die Überlieferungen und authentischen Quellen des islamischen Erbes werfen, obgleich wir gezwungen sind, diesen Aspekt des Themas so kurz wie möglich zu erörtern. Sicherlich würde die Erwähnung der unzähligen Überlieferungen vom
Propheten (s.a.s) und seiner reinen Nachkommen (a.s.), die die Erben des Wissens und der Weisheit des edlen Propheten (s.a.s.) sind, für ein Dutzend Ansprachen reichen. Bevor wir uns mit den Überlie-ferungen im Hinblick auf die Toleranz im Islam befassen, erscheint es angemessen, einen kurzen Blick auf die „A½adÍÝ qudsÍ“ zu werfen.
Freundlichkeit und Toleranz in den außerqur’anischen Gottesüberlieferungen (Ahadith qudsÍ)
Zunächst muss die Bedeutung des Begriffes HadÍth qudsi kurz erläutert werden, damit diejenigen, die mit diesem Begriff weniger vertraut sind, die Bedeutung des Ausdruckes besser verstehen können. Im Islam gibt es drei Arten von Überlieferungen, nämlich:
1. Qur’anverse 2. Ahadith qudsi 3. Ahadith (Überlieferungen)
1. Qur’anverse
Die Qur’anverse enthalten die Worte, die dem edlen Propheten (s.a.s.) durch den Engel Gabriel direkt offenbart wurden und die der Prophet (s.a.s.) ohne jegliche Beeinflussung und Veränderung des Wort-lauts den Menschen weitergegeben hat, so dass sogar in den Fällen, in denen z. B. offenbart wurde: „O Prophet, sprich…“ der Prophet dieses „sprich“ ebenso an die Menschen weitergegeben hat. Beispiele dafür sind:
„Sprich: ‚Er ist Gott, ein Einziger.’“ (Al-Ikhlas, Vers 1)
„Sprich: ‚Ich nehme meine Zuflucht beim Herrn der Menschen.’“ (An-NÁs, Vers 1)
„Sprich: ‚Was kümmert sich Mein Herr um euch, wenn ihr nicht betet?…’“ (Al-Furqan, Vers 77).
„Sprich: ‚Ich warne euch nur mit der Offenbarung.’…“ (Al-Anbiya, Vers 45).
Daraus wird ersichtlich, dass in den Qur’anversen der Wortlaut, die Bedeutung, das Innere und das Äußere der Begriffe das exakte Wort Gottes ist, und diese Worte sind gesammelt in einem Buch, näm-lichen dem Heiligen Qur’an, der höchste Heiligkeit und Gültigkeit hat. Der Heilige Qur’an ist das ge-naue Wort Gottes und folglich ist auch das Äußere von Gott, und deshalb sollen wir dieses Wort nur im Zustand der rituellen Reinheit (d. h. nach Durchführung der rituellen Waschung – wusu) anfassen. Der Heilige Qur’an ist das Wort Gottes, und es gibt keine Abweichung oder Veränderung darin; er ist die letzte ewige Botschaft Gottes für alle Menschen und das Wunder dieses Buches besteht darin, dass es nicht verfälscht werden kann. Es gibt keine Worte und keine Rede, die an die Gültigkeit dieses Hei-ligen Qur’an heranreichen könnte und kein Wort hat diese Art der Heiligkeit, die nur das Wort Gottes hat.
2. Hadith qudsÍ
Bei den Hadith qudsÍ ist die Bedeutung von Gott, aber der Wortlaut und die Ausdrücke sind vom Pro-pheten und von ihm wiedergegeben. Das bedeutet, die Bedeutung dieser Überlieferung stammt von Gott und wurde dem Propheten (s.a.s) von Gabriel offenbart oder dem Propheten direkt eingegeben, aber der Prophet hat die Bedeutung mit seinen eigenen Worten und seinem eigenen Satzbau zum Aus-druck gebracht. Folglich ist bei einem ½adÍÝ qudsÍ der Inhalt von Gott und die Wortwahl und der Satz-bau vom Propheten. Zweifellos ist diesen Überlieferungen nicht die gleiche Heiligkeit und auch Un-nachahmlichkeit der Ausdrücke und der Schutz vor unpassenden Missdeutungen eigen wie den Worten des Heiligen Qur’an.
3. Hadith (Überlieferungen)
Bei dieser Art von Überlieferung stammen sowohl der Inhalt wie auch der Wortlaut vom edlen Pro-pheten (s.a.s.) und seinen geehrten Nachkommen (a.s.). Wie Sie sehen, sind die A½adÍÝ qudsÍ zwischen den Qur’anversen und den Überlieferungen vom Propheten und den großen religiösen Persönlichkeiten angesiedelt. Deshalb erschien es uns passend, zunächst einen Blick auf die A½adÍÝ qudsÍ zu werfen, bevor wir uns mit der Toleranz in den Überlieferungen beschäftigen. Es ist interessant, dass in den A½adÍÝ qudsÍ sowohl dem edlen Propheten Muhammad (s.a.s.) wie auch anderen großen Gottesprophe-ten, wie z. B. den Propheten Moses (a.s.) oder Jesus (a.s.), von Gott Toleranz und Freundschaft emp-fohlen wurden. Hier soll nicht unerwähnt bleiben, dass viele A½adÍÝ qudsÍ, die der edle Prophet des Islam (s.a.s.) und seine reine Familie (a.s.) von Gott erzählen, von früheren Gottespropheten überliefert wurden. Dieses wertvolle Erbe der A½adÍÝ qudsÍ im Islam ist in Wirklichkeit ein wertvolles Geschenk und ein Zeichen für die Anhänger aller Religionen, denn es zeigt, dass die Substanz und das Wesen aller himmlischen Religionen gleich sind. In vielen islamischen Werken, insbesondere in schiitischen Büchern, gibt es Überlieferungen vom Propheten (s.a.s.) und seiner reinen Familie (a.s.), die die Worte Gottes an die früheren Propheten erörtern, wie z. B.: Gott hat Jesus (a.s.) empfohlen, oder Gott hat Moses (a.s.) gesagt, usw.
Ich betone jedoch, dass diese Fälle, d. h. die A½adÍÝ qudsÍ, die den großen Propheten (a.s.) überliefert wurden, in manchen Fällen Überlieferungen früherer Propheten vom edlen Propheten und seinen wis-senden Nachkommen, die das göttliche Wissen geerbt und die Gnade der Verbindung zum Meer des Wissens des Prophetentums gehabt haben, erklärt wurden. So gibt es z. B. Überlieferungen, in denen gesagt wird, dass Prophet Muhammad (s.a.s.) oder Imam ÆÁdiq (a.s.) erzählt hat, dass Prophet Jesus (a.s.) seine Jüngern sagte, oder dass Moses (a.s.) zu seinem Gott gesagt hat usw.
Nachfolgend werden wir nun aus dem islamischen Erbe drei Beispiele für die Empfehlung der Tole-ranz, Freundlichkeit und Barmherzigkeit in Gottesüberlieferungen an die drei großen Propheten Mu-hammad (s.a.s), Moses (a.s.) und Jesus (a.s.) anführen und uns zunächst damit begnügen. Im Al-IþtiqÁdÁt von Scheich ÆadÚq (r.a.) wird berichtet, dass der edle Prophet Muhammad (s.a.s.) erklärt, dass der Gottesengel Gabriel zu ihm gekommen ist und ihm diese Botschaft von Gott überbracht hat:
„Gott, der Gepriesene und Erhabene, sagt zu Dir: ‚O Muhammad! Sei tolerant und geduldig ge-genüber Meinen Geschöpfen.’“ (Al-IþtiqÁdÁt von Scheich ÆadÚq, S. 84).
Wie Sie sehen, stimmt diese Aussage genau mit den bereits erwähnten Versen des Heiligen Qur’an überein, in denen Toleranz, Freundlichkeit und Verzeihen empfohlen wurden, und diese Aussage hat der gesegnete Prophet (s.a.s.) mit seinen eigenen Worten für die Leute erklärt. In einem anderen hadÍÝ qudsÍ wird im Zusammenhang mit Prophet Jesus (a.s.) berichtet, dass Gott, der Erhabene, sagte:
„O Jesus, sei barmherzig, freundlich, vergebend, solidarisch und nett zu den Menschen.“ (Al-rau±ah min al-KÁfÍ, Scheich KulaynÍ, Bd. 8, S. 134).
In einer weiteren derartigen Überlieferung spricht Gott, der Erhabene, zu Moses (a.s.):
„O Moses, sei barmherzig und nett zu dem, der unter dir steht, und nicht neidisch auf den, der über dir steht.“ (Al-rau±ah min al-KÁfÍ, Scheich KulaynÍ, Bd. 8, S. 45).
Wie Sie sehen, sind Toleranz, Freundschaft und Verzeihen, d. h. in Wirklichkeit die Manifestationen von Toleranz und Freundlichkeit, die wichtigsten Empfehlungen Gottes an Seine Propheten. Wir hof-fen, dass auch wir uns am Vorbild dieser großartigen göttlichen Propheten orientieren können und e-benso tolerant, barmherzig und friedlich zu den Menschen sein können. Mit Gottes Hilfe werden wir dieses Thema bei der nächsten sich bietenden Gelegenheit fortführen. Und der Friede sei mit euch und die Gnade Gottes und Seine Segnungen.