Freitagsansprache vom 26. September 2014
von Ayatollah Dr. Ramezani Imam und Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg e.V.
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen.
Aller Lobpreis gebührt Gott, dem Erhabenen, dem Herrn aller Welten. Wir danken Ihm für Seine Gnade und Seine Gaben und bitten Ihn um Hilfe und Rechtleitung in allem, was wir tun, und hoffen, dass Er uns in Seine Gunst aufnimmt. Sein Frieden und Segen sei mit unserem Propheten Muhammad, seinen reinen Nachkommen und seinen rechtschaffenen Gefährten. O Diener Gottes, ich rate mir selbst und Ihnen allen zur Ehrfurcht vor Gott und zum Gehorsam gegenüber Seinen Geboten.
In der vorigen Sitzung wurde verdeutlicht, dass die Schule der Propheten eine Schule der Wahrheit ist. Dies ist so zu verstehen, dass alle Propheten Gottes ihre wichtigste Botschaft in der Verteidigung der Menschenrechte sahen und von daher den Schwerpunkt ihrer Lehre auf die Aspekte der Menschenrechte setzten. Natürlich basierte dieses Rechtssystem auf menschlichen und göttlichen Prinzipien. Daher es ist wichtig, dass wir die Begriffe Recht (Haqq) und Mensch kurz erläutern.
Der Begriff „Haqq“ oder „Recht“ hat mehrere Bedeutungen wie: „Rede“, „Tat“, „ein Glaube im Einklang mit Taten“ und auch „Gott“ und „Schöpfer“ gehören dazu. Selbst als „Erschaffen sein“ kann man diesen Begriff verstehen, aber all dies kann auf die Bedeutung „Festsetzung“ zurückgeführt werden, d.h. jede unveränderliche Sache, sei sie nun real oder relativ.
Also wird Gott als “Haqq” bezeichnet, weil er unveränderlich und real ist. Auch der Koran wird als Haqq bezeichnet, weil seine Bestätigung von Seiten Gottes vorliegt. Eine Tat, die bewiesen werden kann, wird ebenfalls als Haqq bezeichnet und auch die Gerechtigkeit, oder Rechtmäßigkeit wird Haqq genannt, denn Gerechtigkeit ist die Voraussetzung für die Harmonie und Existenz aller Dinge. Auch auf den “Islam” trifft “Haqq” zu. Aufgrund der Realität, Wahrhaftigkeit und Beständigkeit dieses Wortes, trifft “Haqq” auch auf bestimmten und spezifischen Besitz und deren Nutzen zu und wurde als Gesetz oder gültiger Vertrag festgesetzt.
Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass gegen die verschiedenen Bedeutungen des Wortes “Haqq” der Begriff “Batil (Ungültigkeit)” verwendet werden kann. Wenn Gott beispielsweise Haqq ist, dann sind Taten wie Götzendienst und Beigesellung ungültig.
Der Begriff “Haqq” hat im heiligen Koran diverse Verwendungen. Als Beispiele seien folgende Verse erwähnt:
1. Über Gott wird Haqq so verwendet: «و یعلمون انّ الله هو الحقّ المبین»
Und sie werden erfahren, dass Gott allein die einleuchtende Wahrheit ist (24:25).
2. Über Gottes Werk wird der Begriff so verwendet:
«و هو الّذی خلق السّموات و الارض بالحقّ»
“Und Er ist es, der die Himmel und die Erde in Übereinstimmung mit (einer inneren) Wahrheit erschaffen hat.” (6:73)
3. über die Religion Gottes steht:
«هو الذی ارسل رسوله بالهدی و دین الحقّ»
“Er ist es, der Seinen Gesandten entsandt hat mit der Rechtleitung und der Religion der Wahrheit” (48:28)
4. Über das Versprechen Gottes wird der Begriff so verwendet:
«و اذا قیل ان وعد الله حقّ»
“Denn als gesagt wurde: ‚Siehe Gottes Versprechen wird immer wahr.‘” (45:32)
5. Und über die Offenbarung:
«و الّذی اوحینا الیک من الکتاب هو الحقّ»
” Und (wisse, dass) alles von der göttlichen Schrift, die Wir dir offenbart haben, die reine Wahrheit ist.” (35:31)
6. über Erzählungen:
«و ان هذا لهو القصص الحقّ»
“Wahrlich, dies allein ist der wahre Bericht.”(3:62)
7. über das Rechtsurteil:
«فاحکم بین النّاس بالحقّ»
“Du sollst zwischen den Menschen der Wahrheit entsprechend gerecht urteilen und deinen Launen nicht folgen” (38:26 vgl. 21-22 und 40:20)
Außer diesen Punkten, wird “Haqq” noch im Zusammenhang mit rechtlichen Bedeutungen verwendet, die die Beziehungen zwischen zwei Menschen oder zwischen einem Individuum und einer Gruppe darstellen, wie:
1. «و آت ذالقربی حقّه»
“Gib nun dem Verwandten, was ihm (von Rechts wegen) zusteht” (30:38)
2. «و فی اموالهم حقّ للسائل و المحروم»
“und von ihrem Vermögen war ein Anteil für den Bittenden und den Unbemittelten bestimmt.” (51:19)
3. «وَ لْيُمْلِل الّذی علیه الحقّ»
“so soll sein Sachwalter auf gerechte Weise diktieren.” (2:282).
Natürlich wurde der Begriff “Haqq” in den Worten des Propheten Muhammad (s.) und der vor Sünden bewahrten Imame (a.) mehrmals erwähnt. Zum Beispiel wurden im Buch „Risalat Al Hoghugh“ von Imam Sadjad (a.) über 50 verschiedene Anwendungen dieses Begriffes erwähnt, die größtenteils auf die moralischen Rechte hinweisen, wobei die sozialen Aspekte von größerer Beachtung sind.
Als Beispiel für die Attribute der Handlung eines reifen Menschens sagt uns der heilige Koran:
ذلک بانهم کانوا یکفرون بآیات الله و يَقْتُلُونَ الْأَنْبِياءَ بغیر الحقّ»
“Weil sie immer wieder die Zeichen Allahs leugneten und die Propheten zu Unrecht töteten” (2:61)
Bei genauerer Betrachtung der Koranverse, die das Wort ca. 40 Mal erwähnt haben, kann festgestellt werden, dass nur in einigen Versen die juristische Bedeutung erfasst wurde, aber in den meisten Fällen nicht, so in der heiligen Sure Baqara, Vers 282:
« يا أَيُّهَا الَّذينَ آمَنُوا إِذا تَدايَنْتُمْ بِدَيْنٍ إِلى أَجَلٍ مُسَمًّى فَاکْتُبُوهُ وَ لْيَکْتُبْ بَيْنَکُمْ کاتِبٌ بِالْعَدْلِ وَ لا يَأْبَ کاتِبٌ أَنْ يَکْتُبَ کَما عَلَّمَهُ اللَّهُ فَلْيَکْتُبْ وَ لْيُمْلِلِ الَّذي عَلَيْهِ الْحَقُّ وَ لْيَتَّقِ اللَّهَ رَبَّهُ وَ لا يَبْخَسْ مِنْهُ شَيْئاً فَإِنْ کانَ الَّذي عَلَيْهِ الْحَقُّ سَفيهاً أَوْ ضَعيفاً أَوْ لا يَسْتَطيعُ أَنْ يُمِلَّ هُوَ فَلْيُمْلِلْ وَلِيُّهُ بِالْعَدْلِ »
“O die ihr glaubt, wenn ihr voneinander ein Darlehen nehmt auf eine bestimmte Frist, dann schreibt es nieder. Ein Schreiber soll in eurer Gegenwart getreulich aufschreiben; und kein Schreiber soll sich weigern zu schreiben, hat ihn doch Allah gelehrt; also soll er schreiben und der Schuldner soll diktieren, und er soll Allah, seinen Herrn, fürchten und nichts davon unterschlagen. Ist aber jener, der die Verpflichtung eingeht, einfältig oder schwach oder unfähig, selbst zu diktieren, so diktiere sein Beistand nach Gerechtigkeit.”
Der Begriff “Hoquq (Rechte)” wurde in verschiedenen Ausdrücken benutzt, u.a.:
1. In dem Sinne, dass das Regierungssystem auf das soziale Verhalten der Bürger einer Gesellschaft achtet. Die Sammlungen der erlaubten und der unerlaubten Dinge, die die Bürger einhalten müssen. In diesem Ausdruck von Hoquq geht es nicht um die Pluralform der Rechte, sondern um die Singularität und ist in diesem Fall ein Synonym zum Gesetz, obwohl es auch einige Differenzen gibt, z.B. hat der Begriff einmal eine allgemeine Bedeutung, welche ontologische, gültige, schariarechtliche und nominale Rechte beinhaltet.
Aber die Terminologie im Plural impliziert nur schariarechtliche und gültige Rechte. Ein anderer Unterschied besteht darin, dass Rechte sowohl “قوانین موضوعه” als auch „”قوانین غیرموضوعه beinhalten, aber das Gesetz beinhaltet nur Rechte, die von natürlichen oder juristischen Personen oder staatlich verordnet wurden.
2. Der Begriff “Hoquq” ist eine Sammlung aus “Rechten”, die von befugten Stellen gewährleistet werden. In diesem Zusammenhang bedeutet es die Pluralform von “Haqq”.
Die zwei Synonyme Al-Bashar (Mensch) und Al-Insan (der Mensch) beschreiben Lebewesen, die zwei materielle und immaterielle Aspekte beinhalten. Es kann sich hierbei auch um Natur und Veranlagung handeln, welche nicht nur sinnliche und materielle, sondern auch nicht-sinnliche Wahrnehmungen implizieren. Deshalb sind die Kapazitäten und Forderungen der Menschen zahlreich und vielfältig. Wenn der Islam über die Menschenrechte spricht, beachtet er deshalb alle Aspekte, welche wir künftig noch erörtern werden.