Ayatollah S. A. Hosseini Ghaemmaghami
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen.Lobpreis sei Allah, dem Gepriesenen und Erhabenen, dem Herrn der Welten, und Sein Frieden und Segen sei mit unserem Propheten Mohammad (Friede sei mit ihm), seinen reinen Nachkommen (Friede sei mit ihnen) und seinen rechtschaffenen Gefährten.Wir haben in der letzten Freitagsansprache vom Rang und der Stellung des Qur’an im Islam gesprochen und erwähnt, dass wir zwischen der Sprache des Denkens und der kommunikativen Sprache im Qur’an unterscheiden müssen. Wir haben weiter gesagt, dass die Sprache des Denkens im Qur’an allgemeiner Natur und für alle Menschen und jede Rasse und Sprache im Laufe der Geschichte ist. Selbstverständlich sind manche sprachliche Elemente der kommunikativen Sprache im Qur’an zeit- und situationsabhängig und auf eine spezielle kulturelle und geografische Lage bezogen, d. h. es gilt die Zeit und den Ort der Offenbarung auf der Arabischen Halbinsel zu berücksichtigen. Der Anlass für die Offenbarung der Verse Eines der Elemente, das die Zeitabhängigkeit der kommunikativen qur’Ánischen Sprache belegt, ist der Offenbarungsanlass der Verse. Manche Qur’anverse beziehen sich auf spezielle Ereignisse und Geschehnisse der damaligen Zeit, die z. B. für den Propheten des Islam (k) oder manche Muslime vorgekommen sind, und zur Lösung und Beantwortung dieser Probleme hat Gott bestimmte Verse offenbart und herabgesandt, die genau in dieser offenbarten Form und ohne die geringste Veränderung im qur’Ánischen Text enthalten sind. Für ein genaues und richtiges Verständnis von diesen Versen muss man beachten, dass diese besonderen Ereignisse und Geschehnisse die qur’Ánische Botschaft nicht einschränken und man zwischen der allgemeingültigen Botschaft für jeden Menschen in diesen Versen und den besonderen historischen Ereignissen, deren Zeit vorbei ist, differenzieren muss. Diese besonderen Ereignisse und Geschehnisse waren ein Mittel, mit dem Gott Seine rechtleitende Botschaft in einem natürlichen Verlauf und gemäß den normalen Bedürfnissen des individuellen und gesellschaftlichen menschlichen Lebens offenbarte. Aus diesem Grund werden diese historischen Vorkommnisse als Offenbarungsanlass der Verse bezeichnet. Die realen Ursachen, die die Herabsendung der Offenbarung des Gotteswortes vorbereitet haben, sind in Wirklichkeit der Anlass der Offenbarung. Dieser Offenbarungsanlass basiert auf der Beeinflussung der damals ursprünglich direkt angesprochenen Menschen und hatte Einfluss auf die Gestaltung der kommunikativen Sprache des Qur’an, ohne das Wesen der Sprache des Denkens im Qur’an zu beeinflussen.Der Qur’an ist kein rein philosophisches, historisches oder theologisches Buch Grundsätzlich gibt es im Qur’Án verschiedene Themen z. B. zu Geschichte, Philosophie, Politik, Gesellschaft, Recht und Glauben. Aber wir können den Qur’an niemals als Geschichts-, Rechts- oder Philosophiewerk und auch nicht als theologisches Buch oder ein Buch, das nur die Scharia behandelt, bezeichnen. Der Qur’an enthält alle diese Aspekte, ist aber auf keinen von ihnen zu reduzieren, denn der Qur’Án ist nach eigenem Bekunden das Buch der Führung und Aufklärung. Was im Qur’Án erzählt wird, gleich ob es Theologie, Recht, Erzählungen, geschichtliche Berichte, Beispiele oder andere philosophische und rechtliche Themen betrifft, geht mit der Absicht der Führung und Aufklärung des Menschen einher. Der Qur’an beabsichtigt niemals, nur Geschichten oder Erzählungen zu erwähnen oder nur zu philosophisieren, und er will auch keine rein theologische Deklaration oder religiöse Verfassung darstellen. Aus eben diesem Grund wurde jedes dieser Themen im Qur’an so häufig behandelt, dass damit die Absicht der Aufklärung und Führung sichergestellt wird, (d. h. dass sie die Führung und Aufklärung des Menschen beeinflussen und daran beteiligt sind). Deshalb sehen wir, dass im Qur’an die detaillierten Aspekte der Theologie oder Scharia nicht vorhanden sind. Wenn sich der Qur’an mit historischen Themen befasst, beabsichtigt er keine Geschichtsbeschreibung oder Darlegung eines vollkommenen historischen Berichts. Einzig und allein weil er die Verantwortung für Aufklärung und Führung der Menschen hat, erörtert er einige historische Beispiele, wie auch Gott die geschichtlichen Erzählungen, die Er im Qur’Án gebracht hat, mit aller Deutlichkeit als Beispiele bezeichnet. Ein Beispiel ist etwas, was nicht zum Hauptthema gehört, sondern der Beschreibung und Interpretation der Eigenschaft und besonderen Attribute von etwas dient. D. h. es wird angewendet, um das Hauptthema besser beschreiben und interpretieren zu können. Deshalb verfolgen die Geschichten und Berichte, die im Qur’an von den früheren Propheten und Völkern dargestellt werden, nicht die Methodologie der Geschichtsschreibung. Wir sehen z. B., dass die Geschichten der früheren Propheten wie z. B. Noah, Abraham, Josef, Moses und Jesus (Friede sei mit ihnen allen) nicht kontinuierlich vom Anfang bis zum Ende und in der richtigen zeitlichen Reihenfolge dargestellt werden, sondern zu verschiedenen Zeiten, wenn es für die Aufklärung und Führung notwendig war, wurde ein Teil ihres Leben in einer besonderen Situation für das bessere Verständnis von der Offenbarung zu Hilfe genommen und erzählt. Die Geschichte von Moses (o) wird z. B. in Form von ungeordneten Erzählungen an zwanzig verschiedenen Stellen erzählt, oder die Geschichte von Jesus (o) wird ohne Berücksichtigung der zeitlichen Ordnung und Schlussfolgerung geschildert. Auch wenn man alle diese Erzählungen zusammenhängend sieht, kann man niemals zu einem vollkommenen Text über die Geschichte von Moses oder Jesus gelangen, wie er in Geschichtsbüchern üblich ist. Aber hinter diesen ungeordneten Erzählungen ist die Botschaft der Führung und Aufklärung sehr deutlich zu sehen und zu verstehen, die klar erkannt wird. Aus qur’Ánischer Sicht ist ein wichtiges Prinzip bedeutungsvoll, und zwar diese in den Beispielen verborgene Botschaft, wobei Gott bei der Erzählung dieser Geschichten mit aller Deutlichkeit diese Botschaft erläutert. Wenn zuweilen die Mangelhaftigkeit der historischen Qur’anerzählungen impliziert wird, dann aufgrund dieses wichtigen Punktes. Gott will niemals, dass diese historischen Beispiele für den Angesprochenen das Hauptthema darstellen und dadurch die Botschaft der Offenbarung zwischen diesen Geschichten verloren geht und verschwindet. Deshalb betont Gott, dass die historischen Erzählungen nichts anderes sind als ein Beispiel, die das Verständnis des Themas verbessern. In der Geschichte von AȽÁbu-l-Kahf, den Gefährten in der Höhle, erklärt der Qur’an im Zusammenhang mit einigen Aspekten dieser historischen Ereignisse, die Meinungsunterschiede und Neugier von manchen Leuten, die die Anzahl dieser Gefährten der Höhle wissen wollten, dass es unbedeutend ist, ob es fünf, sechs oder sieben Menschen waren, und er erwähnt, dass Gott ihre Anzahl kennt und Er Mo½ammad empfiehlt, sich solcher Diskussionen zu enthalten und nicht nach derartigem Wissen zu streben. Die Methode des Verstehens und der Interpretation des Qur’an Aus unseren bisherigen Erklärungen aus der Sicht des Qur’an wurde deutlich, dass wir die Hauptbotschaft des Qur’an mittels einer besonderen Methode verstehen können und dies ein gewisses Bewusstsein voraussetzt. Es wurde gesagt, dass alle Menschen jeder Rasse, Farbe und Nationalität im Laufe der Geschichte vom Qur’an angesprochen wurden und werden. Nun stellt sich die Frage, ob die Botschaft des Qur’an jedermann zur Verfügung gestellt wurde, und ob jeder, der sich mit dem Qur’an beschäftigt oder sich an den Qur’an wendet, sicher sein kann, dass er die Botschaft Gottes versteht. Der Qur’an hat diese Frage selbst beantwortet. Gott sagt in aller Deutlichkeit, dass die Qur’Ánverse in zwei grundsätzliche Kategorien unterteilt werden:1. Verse, deren Aussage sehr deutlich und klar ist, d. h. Verse, deren Bedeutung unmissverständlich ist und keine Zweifel darüber bestehen. Aus diesem Grund werden diese Verse als „mo½kam“, d. h. eindeutig, bezeichnet.2. Verse, die unterschiedlich verstanden und interpretiert werden können und hinsichtlich derer die Bedeutung der göttlichen Absicht für den Angesprochenen nicht klar ist. Deshalb sind diese Verse vom Begriff her nicht klar und werden als mutaÊÁbih, d. h. mehrdeutig, bezeichnet. Gott hat diese zwei Gruppen von Versen erwähnt und erklärt den Mechanismus der Interpretation der mutaÊÁbih-Verse. Die Interpretation dieser mutaÊÁbih-Verse ist mittels der eindeutigen (mo½kam) Verse möglich. Die Interpretation der mutaÊabih-Verse mittels der mo½kam-Verse übersteigt die Fähigkeit des gewöhnlichen Menschen, und dazu sind nur diejenigen fähig, die eine tiefe Kenntnis vom Qur’Án haben, wie in Sure Àl-þImrÁn, Vers 7, erklärt wird, wo es sinngemäß heißt: Er ist der Gott, Der das Buch Qur’Án an Muhammad offenbart hat. Ein Teil dieses Buches sind die eindeutigen Verse, und diese Verse sind der Hauptteil des Buches, und ein Teil davon sind mehrdeutige Verse. Diejenigen, die ein krankes Herz haben und zu schlechten Dingen neigen, nehmen die mehrdeutigen Verse als Hauptteil des Buches und orientieren sich daran, und mit dem Ziel, Unruhe, Streit und Abweichung zu schaffen, interpretieren sie den Qur’an so, wie sie möchten, obwohl die Interpretation keiner kennt außer Gott und denjenigen, die eine tiefe Kenntnis vom Qur’an haben. Jene, die eine tiefe Kenntnis vom ganzen Qur’an haben, sagen: Wir glauben an alles, was im Qur’an steht, egal ob es eindeutige oder mehrdeutige Verse sind, und sie sind alle von Gott offenbart worden. Mittels einer Untersuchung der heiligen Quellen kann man feststellen, dass einzig der Qur’an mit dieser Deutlichkeit seine Interpretierbarkeit feststellt und darüber hinaus auch die Gefahr und Möglichkeit einer falschen und abirrenden Interpretation erwähnt. Damit man zu einer richtigen Methode des Qur’Ánverständnisses findet, erklärt er die allgemeine Methodologie der Interpretation. Daraus geht ganz klar und deutlich hervor, dass man für die Interpretation der mehrdeutigen Verse erstens die eindeutigen Verse als Grundlage und Maßstab heranziehen soll und man sich zweitens an diejenigen wenden soll, die eine tiefe Kenntnis vom Qur’an erlangt haben und mit dem ganzen Qur’an vertraut sind. Demnach gelangt man zu dem Ergebnis, dass die Interpretation des Qur’an insbesondere im Hinblick auf die mehrdeutigen Verse einer Fachkenntnis bedarf, die nicht jeder hat. Wir haben bereits darüber gesprochen, wie man diese Fachkenntnis erlangen kann, und es versteht sich von selbst, dass man über die verschiedenen Wissenschaften Kenntnis haben muss. Viele extremistische und abweichende Interpretationen vom Qur’an und Islam kommen allein deshalb zustande, weil die Leute diese Fachkenntnis oder eine reine Absicht nicht haben, und der Qur’an ermahnt sie in aller Deutlichkeit. Das ist eine wichtige Ermahnung Gottes im Qur’an, die an alle Menschen gerichtet ist, nämlich die Forderung, nicht alles, was nach außen hin mit dem Qur’an argumentiert wird, als qur’Ánische Lehre und Botschaft anzunehmen, sondern durch Anwendung der vorher erwähnten qur’anischen Methode die Argumente richtig zu erkennen und zu unterscheiden. Am Ende möchte ich noch zwei Punkte erwähnen. Erstens müssen wir in diesen Tagen bedauerlicherweise hässlichste Verunglimpfungen des heiligen Propheten des Islam durch einige Massenmedien bezeugen. Man hätte erwarten dürfen, dass diese Akte in Dänemark und einigen anderen Ländern geschlossen ist, aber leider haben einige Zeitungen in Deutschland und anderen Ländern erneut die Gefühle der Muslime verletzt. Ein wichtiger Teil der Persönlichkeit eines jeden Individuums sind sein Glaube und seine Ansichten. Deshalb verletzt die Beschimpfung seines Glaubens und seiner Heiligtümer die Würde des Menschen, und es ist nicht akzeptabel, die Würde des Menschen, die das Fundament seiner natürlichen und menschlichen Rechte bildet, für die Meinungsfreiheit zu ignorieren. Dieser Aspekt ist so bedeutend, dass der Qur’Án die Muslime mit aller Deutlichkeit davor warnt, die leblosen Götzen der Polytheisten zu beschimpfen, weil die Beschimpfung der Götzen die tiefsten Gefühle und die Verbundenheit dieser Menschen verletzten würde, und das darf niemand tun, auch wenn er den Glauben von anderen nicht akzeptiert. Es ist klar und deutlich, dass ein Unterschied besteht, ob man etwas ins Lächerliche zieht oder Kritik daran übt. Auf der Grundlage der himmlischen Schriften, Ethik und Gesetze darf kein Mensch einen anderen Menschen beschimpfen. Es darf nicht hingenommen werden, dass ein Angehöriger einer Minderheit, z. B. ein Muslim, das Gefühl bekommt, sich Extremisten zuwenden zu müssen und sich von dieser Gesellschaft fernzuhalten, weil er denkt, dass diese Gesellschaft seine Persönlichkeit, Identität, Gefühle und seinen Glauben nicht beachtet. Die Wirkung solcher unkultivierten Provokationen kann man in der Tat nicht ignorieren. Der Glaube an den Propheten des Islam ist ein Teil der islamischen Identität der Muslime, und die Verunglimpfung der Persönlichkeit des Propheten des Islam durch manche Massenmedien verbreiten Hass und Gewalt. Sicherlich sind jene, die so unverantwortlich handeln und provozieren, nicht auf das Wohlergehen der europäischen und insbesondere der deutschen Gesellschaft bedacht. Jeder, der in dieser Gesellschaft lebt, kann erkennen, dass die Integration eine soziale Notwendigkeit ist. Wenngleich in einem bestimmten Zeitabschnitt in dieser Gesellschaft einige im Hinblick auf Rasse und Glauben sehr dogmatisch gedacht haben, zeigen die historische Erfahrung und die menschliche Vernunft zweifellos, dass es besser ist, die Rechte aller Minderheiten zu wahren und sie nicht zu isolieren, sondern am gesellschaftlichen Prozess zu beteiligen, und das ist die Verwirklichung der Integration. Ich persönlich verurteile die Verunglimpfung der heiligen Persönlichkeit des Propheten des Islam und weise zugleich alle Muslime darauf hin, dass sie aufgrund solcher Ereignisse niemals an der Wahrheit des Weges zweifeln dürfen, der zur Verwirklichung der Integration begonnen wurde. Wir sollen alle wissen, dass das Wohlergehen der Muslime in der Gemeinsamkeit mit dieser Gesellschaft liegt, und es gibt keinen Grund, der jemandem erlauben würde, zu Konflikt oder Missachtung der Gesetze beizutragen. Wir sollen immer wissen und daran denken, dass uns der Islam zur Verantwortung gegenüber dem Gesetz der Gesellschaft auffordert. Zweitens möchte ich am Ende erwähnen, dass die Geiselnahme von zwei deutschen Ingenieuren im Irak uns sehr traurig macht, und wir möchten hier den Geiselnehmern sagen: Ihr sollt wissen, dass die Muslime sich von eurer Tat distanzieren, und bei jedem Menschen, den ihr als Geisel genommen habt, haben wir das Gefühl, dass ihr uns alle zur Geisel genommen habt! Wir hoffen, dass diese beiden deutschen Bürger so bald wie möglich unversehrt zu ihren Familien zurückkehren können.Und der Friede sei mit euch und die Gnade Gottes und Seine Segnungen.